Frau kommt ja doch nicht drum rum, also besprechen wir es rasch auch
hier: Die Erotik-Trilogie „Shades of Grey“ ist wie ein schlimmer Autounfall, grau-sam und wir schauen doch alle hin...
Dabei ist schon der Titel alles andere als „sexy“. Fünfzig
Schattierungen Grau. Klingt fad, farblos, trist... und so ist es auch... vor
allem sprachlich ist es eher schlicht grestrickt.
Pantone Scala |
Immerhin die Umschlaggestaltung der deutschen Ausgaben ist aufwändig
luxuriös und durchaus sexy. Orchideen – die sexiesten Blumen (Orchid, altgrich. für Hoden) – zieren den haptisch samtig anmutenden Einband.
Déjà Vus
Ausgerechnet eine Britin – („No sex please, we´re British“ – heißt die
Erfolgskomödie von Alastair Foot aus 1971 in dem just ein versehentlich
gelieferter Porno ein junges Eheleben in ungewollte Turbulenzen bringt)
schreibt den Aufreger des Jahres.
Wieder ein Überraschungs-Bestseller in Serie einer Britin. Wie ich
meine, beinahe eine logische Konsequenz: Von Rowlings Kinderbuch über den Aufstieg und
die Befreiung eines rothaar-strubbeligen Magier mit schwerer Kindheit und
Zauberstab zu E. L. James´ Frauenphantasie über Milliardär mit
kupferfarbigen-out-of-bed-Hairstyle, auch mit schwerer Kindheit und mit Jadestab...
Ich persönlich stelle mir
„Fifty“ gemäß der Beschreibung im Buch als Crossover von Harry Potter, Prince
Harry und Prince William vor und Ana wie Kate Middleton. Soviel zur Phantasie
der Autorin. Sie selbst, so liest man, favorisiert für die bereits in Planung
befindliche Verfilmung Ryan Gosling für die Rolle des Christian Grey. Er hat
zwar keine silbergrauen Augen (aber farbige Kontaktlinsen sind ja schon
erfunden) hat aber sowohl romatische Kitsch-Helden (Wie ein enziger Tag) als
auch geheimnisvolle Macho-Super-Lover (Crazy, Stupid, Love) bereits im
Repertoire.
Damit trifft er genau ins Schwarze, denn „Fifty Shades of Grey“ begann
zunächst als Twilight-Fanfiction in Blogform und die Zielgruppe für die daraus
entstandene Roman-Trilogie waren gemäß eigener Aussage von E.L. James niemand
anderer als Rosamunde Pilcher-Leserinnen! Immerhin ist damit dann doch ein
breites Spektrum vom Teenie bis zur Seniorin abgedeckt. Zwar war dies gar nicht
strategisch geplant, so ist die Rechnung doch mehr als aufgegangen. Die
Verkaufszahlen sprengen alle Rekorde, auch die von Harry Potter! E. L. James hat Joanne K. Rowling schon
eingeholt, und reicher als die Queen sind sie beide längst (womit sie auch nicht mehr von Prinz William träumen müßten)! In Phantasie,
Sprache und Botschaft ist Rowlings Harry Potter allerdings überlegen.
Das Time Magazin rangiert die Autorin unter den 100 einflußreichsten
Menschen der Welt. Was das Geschehen in den Schlafzimmern der Welt betrifft hat
sie bestimmt Einfluß genommen. Denn während die meisten Leserinnen
wahrscheinlich vor Allem auf die romantisch-utopische Rahmenhandlung abfahren –
die sprichwörtliche Jungfrau Ana knackt emotionalen Krüppel (einen Mann dazu zu
bringen über seine Gefühle zu sprechen als die ultimative sadomasochistische
Praktik!), mögen die Partner der 50-Shades-Jüngerinnen über die neue Offenheit
im Schlafzimmer umso entzückter sein.
Disney wird´s wohl nicht verfilmen...
Und wer hat´s
erfunden?
Der Hype um die Erotik-Romane ist, abgesehen von der sprachlichen
Schlichtheit, auch deshalb erstaunlich, als das Thema mit nichten neu ist. In der Einfachheit und "von Frau für Frau" vielleicht doch aber nicht bahnbrechend.
Was heute unter dem kryptischen Kürzel BDSM (als Sammelbezeichnung für
ausgefallenere sexuelle Vorlieben im Sado-Maso Bereich oder auch „kinky Sex“,
Fetisch-Sex u.dgl.) „firmiert“ fußt vor Allem auf Praktiken wie sie niemand
geringerer als Donatien-Alphonse-François,
Marquis de Sade (1740-1814) und Leopold Ritter von Sacher-Masoch (1836-1895) schon
beschrieben haben und nicht zu letzt auch ihre Namen dafür stehen.
Der Österreicher Sacher-Masoch schrieb 1870 die Novelle „Venus im
Pelz“. Es sollte der erste Teil eines
sechsbändigen Zyklus zum Thema „Liebe“ werden, der aber nie weitergeführt
wurde. Sacher-Masoch beschreibt darin die extremen Wechselbäder der Gefühle,
die der „Sklave“ Severin durch seine Herrin Wanda erfährt, die ihn in ihrer
feminin-dominanten Rolle als Venus im Pelz an seine körperlichen und geistigen
Grenzen treibt, um ihn schließlich zu verlassen – wegen eigener unbefriedigter
Unterwerfungssehnsucht oder aber um ihn von seinem „Masochismus“ zu heilen. (Anm. Der Begriff „Masochismus“ wurde in Anlehnung
an die Novelle und nach dem Autor 1886 durch den Psychiater und Neurologen
Richard von Krafft-Ebing geprägt.)
Nach
Tizians „Venus mit dem Spiegel“,
Pelz als Symbol der Tyrannei, Grausamkeit!
Fifty-Shades-Autorin E. L. James scheint das Werk des Namensgebers zu
kennen. Als Referenz nennt die Protagonistin ihr altes Auto liebevoll „Wanda“ –
nach der Venus im Pelz, Wanda von Dunajew höchstselbst. In Sacher-Masochs Klassiker ist
die Frau die Domina, der sich der Ich-Erzähler bedingungslos unterwirft. Und
auch in James´ Erotik-Roman erfährt der „Held“ seine sexuelle „Erziehung“ durch
eine dominante Sadistin bevor er selbst Frauen unterwirft und der wird, den Ana „befreit“. Weitere
Parallelen: Ebenso wie Wanda ist Christian jung, reich und schön, lebt für das
Vergnügen und den Genuß und die Beziehung zu ihren Unterworfenen ("Subs") wird durch
einen Vertrag geregelt.
Für die damalige Zeit war „Venus im Pelz“ schon sehr gewagt eindeutig
formuliert, wenngleich kein einziger Akt erwähnt wird und auch die „SM-Praktiken“
nur vage beschrieben werden. Die Britin E. L. James schreibt auch weitaus
züchtiger als der geneigte Leser es befürchtet/erhofft. Es bleibt alles
rellativ harmlos, sprachlich simpel und die unzähligen sexuellen Akte verlaufen
letzendlich immer gleich, in immer gleichen Worthülsen ab – „Baby, wie feucht du für mich bist“ – der Höhepunkt kommt immer in Wogen der
Lust daher, die die Ich-Erzählerin gleich einem orgastischen Zunami
überschwemmen... – übrigens weit häufiger mit „Blümchen und Schmetterlingen“
als mit einschlägigem „Folterwerkzeug“ herbeigeführt.
Während Sacher-Masoch die Augen der Domina in allen Farben beschreibt: „schwärmerisch,
schmachtend, versengend, müd-wollüstig“, spiegeln die Augen des
Fifty-Shades-Prinzen nur eben jene Grautöne wieder.
Fazit: Wer mitreden will und wer sonst nichts zu tun hat lese (Cliffhänger
sei Dank) alle 2000 Seiten der "Mummy-Porn"-Trilogie dennoch, und mache Frau
Leonard, wie E. L. James im bürgerlichen Namen heißt, noch ein bißchen reicher.
Immerhin: sogar Ober-Emanze Alice Schwarzer hat das vermeintlich machistische
Werk abgesegnet, "da sich die Protagonistin letztendlich nicht unterwirft" – ich
würde sogar soweit gehen zu sagen, kindisch-übermütig revoltiert.
Wer klassische Literatur versuchen möchte lese das Original – Projekt Gutenberg macht´s möglich (und nach Ablauf der 70 Jahre Copyright) gratis im Internet.
Auch
erotisch, auch ok: „Elf Minuten“ von Paulo Coelho (2003)
Nach einer wahren Geschichte. In
dieser Geschichte geht es auch um die Lust an der Selbstaufgabe in der Liebe
und die Entdeckung eines ganz anderen Empfindens. Die für Coelho signifikante
einfache Sprache verleiht der Geschichte von Maria etwas Märchenhaftes. Coelho
gelingt mit „Elf Minuten“ eine würdevolle Leichtigkeit fern jedem Dogma und
Tabu. Auch schwierige und intime Themen lässt er nicht aus. Er schildert sie
mit einer Würde, wie es selten einem Autor gelang.
Für mich, die ich eigentlich kein Coelho Fan bin, eines der besseren
Bücher von ihm und schon eher eine Offenbarung.
Blondinenwitz zum Thema (geklaut von der von mir hochverehrten Polly Adler):
Warum sehen sich Blondinen Pornofilme immer bis zum Schluss an? - Weil sie immer hoffen, dass am Ende doch noch geheiratet wird!
Blondinenwitz zum Thema (geklaut von der von mir hochverehrten Polly Adler):
Warum sehen sich Blondinen Pornofilme immer bis zum Schluss an? - Weil sie immer hoffen, dass am Ende doch noch geheiratet wird!
Fan-Shoppingliste:
Den Fifty-Shades Fuck-Soundtrack gibt´s auch schon und an einschlägigem Merchandising wird fieberhaft gearbeitet. Jedenfalls gibt es die De-Luxe Box welche nicht nur die (englischsprachigen) Bücher sondern auch Handschellen u.a. enthält.
Merchandising und Ambush-Marketing:
Bobby Brown Lidschatten Shades of Grey
Shirts für "Mommy" und Baby:
Bis das gebrandede "Werkzeug" überteuert im Sexshop des Vertrauens oder im Onlinehandel verfügbar ist, empfehle ich dem (Achtung Wortspiel) Hardcore-Fifty-Fan einen Ausflug in den nahegelegen Baumarkt.
Meine Play-List:
Bolero (Maurice Ravel) Wiener Philharmoniker (etwas länger als 11 Minuten...)
Meine
Lieblings-Zitate aus „Venus im Pelz“ von Leopold Sacher-Masoch:
„Die Natur kennt keine Dauer in dem Verhältnis von mann und Weib."
„In der Liebe gibt es kein Nebeneinander“
„ich kann mir gut denken, dass ich einem mann für das Leben gehöre,
aber es müßte ein voller Mann sein, ein Mann der mir imponiert, der mich durch
die Gewalt seines Wesens unterwirft, ... und jeder Mann ... wird, sobald er
verliebt ist – schwach, biegsam, lächerlich, wird sich in die Hand des Weibes
geben, vor ihr auf Knien liegen, während ich nur jenen dauernd lieben könnte,
vor dem ich knien würde.“
„Aber du willst nur mein sein unter Bedingungen, während ich dir
bedingungslos gehöre“
„besser dich verlieren als dich nie besitzen“ich achte nur eine Frau,
die tugendhaft ist, oder offen dem Genusse lebt“
„Ich glaube ... daß man, um einen Mann für immer zu fesseln, ihm vor
allem nicht treu sein darf. Welche brave Frau ist je so angebetet worden, wie
eine Hetäre?“
„Die Liebe kennt keine Tugend, kein Verdienst, sie liebt und vergibt
und duldet alles“.
„Es ist wirklich ein Genuß, einen Menschen so in seiner Gewalt zu haben
und noch dazu einen Mann, der mich liebt“
„Der Genuß macht allein das Dasein wertvoll“
„Die Moral: „Daß das Weib, wie es die Natur geschaffen und wie es der
Mann gegenwärtig heranzieht, sein Feind ist und nur seine Sklavin oder seine
Despotin sein kann, nie aber seine Gefährtin. Dies wird sie erst sein können,
wenn sie ihm gleich steht an Rechten, wenn sie ihm ebenbürtig ist durch Bildung
und Arbeit.“
„Daher die Moral der Geschichte: Wer sich peitschen läßt, verdient
gepeitscht zu werden“.