Mittwoch, 29. Dezember 2010

Cliché as cliché can


Blondine. Frau am Steuer. Stadt-Tussi. Gscherde Weanarin.

All diese Klischees habe ich auf der Fahrt in den Weihnachtsurlaub im Alleingang auf einen Schlag erfüllt...

Als mir ein Licht aufging

Stadtmädchen verläßt die Große Stadt um weisse Weihnachten am Land zu feiern. Das kleine chicke Stadtauto vollgepackt mit Geschenken und Leckereien, geht´s auf die Autobahn Richtung Westen. Die Strasse ist trocken, die Sicht gleich Null. Blondchen reinigt die Scheiben, sicherheitshalber... die Kurzsichtigkeit bleibt. Auch die Designerbrille (0,5 Dioptrien) hilft da nicht weiter. Dichter Nebel gebietet gemäßigtes Fahrtempo.

Immerhin manche Vorfahrer haben so ein cooles grelles rotes Lichtlein links. Ob das was mit Weihnachten zu tun hat oder doch tatsächlich für eben diese Nebelsituation erdacht wurde? Ob wohl mein kleiner Flitzer, an sich mit diversen angenehmen Extras (wie Bose Soundsystem, Ledersitzen, Radiofernsteuerung am Lenkrad udgl.) ausgestattet, auch über solch ein Lichtlein – ich glaube Mann nennt das wohl Nebelschutzleuchte – verfügt? Aber wo ist der Schalter dafür? Hab ich doch mein Lancia-Baby erst seit sechs Jahren... Da sind gleich zwei mysteriöse Tasten, deren Funktion sich mir noch nie erschlossen hat...

Cockpit eines Lancia Ypsilon

Aber seid doch mal ehrlich, ist es logisch, dass sich die Taste für das linke Lichtlein rechts befindet? DAS kann doch wohl nur ein Mann erdacht haben!

Als gar nichts mehr ging

Der Nebel hat sich gelichtet. Der kleine, vorschriftsgemäß winterbereifte Lancia Y befindet sich bereits in ländlichem Gebiet. Sehr ländlich und immer ländlicher. Schneefahrbahn. Links Abhang mit Wald, rechts nichts als Schneewächten. Oben da leuchten die Sterne, herunten da leuchtet mir mein Navi den Weg. Bloß der „Weg“ führt zusehends ins Nirgendwo, es wird steiler, kurviger und glatter und irgendwann will mein rassiger Südländer nicht mehr. Ich bleibe hängen. Vorwärts geht gar nichts mehr, rückwärts droht der Abgrund vor der Kurve...

Alles kein Problem, Blondchen hat ja ein Handy UND das hat sogar Netz (ich bin also noch nicht ganz aus der Zivilisation). Die Panik unterdrückend rufe ich da an, wo man mich erwartet. Ich bekomme auch gleich den seelischen Beistand, den ich in dieser Notlage ersehne. Doch dann die Frage: „Wo genau bist Du denn?“. „Äh, ja eh, muß ganz in der Nähe sein, Ortsschild???, Nein, hab ich schon länger Keines gesehen... Häuser?, sehe ich auch weit und breit keine... aber eins weiß ich genau: laut Navi bin ich nur 4,1 km vom Ziel entfernt, von Dir!!?“...

Nagut, so wird das nichts und würden auch die gelben Engel nicht den Weg zu mir finden... Tapfer verlasse ich also mein kuscheliges Auto, nicht ohne vorher gekonnt den Schalter der Warnblinkanlage betätigt zu haben. (was, wie sich später herausstellen sollte purer Luxus war, denn ausser mir befährt zu dieser Jahreszeit KEIN Mensch diese Strasse, nichtmal Allradfetischisten oder eben Schneepflüge...).

Im kurzen Röckchen mit Strumpfhosen Ton in Ton und hochhackigen Ankleboots stapfe ich kniehoch im Schnee und rutsche mehr als zu gehen auf blankem Eis, bis ich hinter der Kurve, am Ende des Waldes ein überbordend weihnachtlich geschmücktes Haus erblicke. (Jetzt weiß ich auch warum an Weihnachtsbeleuchtung wirklich nicht gespart werden sollte!) Zivilisation!

Meine ganz persönliche „Herbergsuche“ war gelungen. Ich werde gastfreundlich eingelassen und es wird auch gleich Hilfe – in Person des Nachbarbauerns – gerufen. Während ich auf meinen Retter warte, wird mir wärmender Tee gereicht. Mann verzichtet geflissentlich auf stereotype Bemerkungen hinsichtlich „Frau am Steuer“, gscherde Weana“* udgl. (wiewohl sie bestimmt noch Jahre herzhaft lachen werden, wenn sie von ihrem unerwarteten „Weihnachtsbesuch“ erzählen. Sei´s drum, es sei ihnen gegönnt!).

Comic von Perscheid

Mein Retter naht. Soviel vorab: Es ist nicht der Prinz am weissen Pferd. Wäre allerdings auch ungleich unpraktischer gewesen um meinen vollgepackten Lancia ca. 1000m bergauf zu ziehen. Der kernige Bauer fragt mich nach dem Abschlepphaken. „Ähm, ja, eh... muß da wo sein....“ Reumütig, mein geliebtes Auto tatsächlich so wenig zu kennen, werfe ich mich also todesmutig mit dünnbestrumpften Knien in den Schnee und suche minutiös den Bug meines Boliden ab. Gut versteckt hinter einer Abdeckklappe findet sich das gute Stück. Offensichtlich im Abschleppen gestrandeter SonntagsfahrerInnen sehr versiert, weiss der Traktorfahrer – im Gegensatz zu mir – auch wo ich den zugehörigen Abschleppring (beim Reserverad! Und es gibt übrigens einen für Vorne und einen anderen für Hinten!) finde, und dreht diesen fachmännisch in den zuvor freigelegten Gewindestift (so der Fachterminus laut Gebrauchsanweisung. Was ich dabei für schöne Vokabel gelernt habe!).

Und schon geht´s los, ich lasse mich äußerst willig Abschleppen. Bin dem Retter unendlich dankbar. Er ist übrigens Single... ich beschliesse es dennoch bei diesem Abenteuer zu belassen und bedanke mich der Aussentemperatur entsprechend kühl mit einem Scheinchen. Den Rest überlasse ich Bauer sucht Frau, wo er wahrscheinlich noch einen Problemfall darstellen würde... wie mir meine vom Dorftratsch gut informierten Freunde später bestätigen.

Mein kleiner "Umweg" hat mich nur eine Stunde gekostet... "am Ziel angekommen" geniesse ich die Sauna dann umso mehr! Die Moral von der Geschichte: Traue nicht mal dem EINEN Mann: TomTom!

(s. "Perfekter Partner auf Ratenkauf")

Cartoon von Bruder JaB

*ad "Gscherte" sprich "Gscherde" bezieht sich originär tatsächlich auf die Landbevölkerung selbst: "Geschorener, Landbewohner, Spitzname des Bauern; das Wort kommt aus der Zeit, da die (noch freien) Bauern keine langen Haare tragen durften;" (aus Peter Wehle "Sprechen Sie Wienerisch?") Anm. "mein" Bauer hatte wirklich sehr kurze Haare...

Das nächste Mal bin ich gescheiter, versprochen!: Tipps fürs Autofahren im Winter