Donnerstag, 20. August 2009

Der Schwierige* 2009

Eine frevlerische Annäherung an ein österreichisches Stück Weltliteratur, durch die Designerbrille gesehen

Neulich im Theater ereilte mich eine unerwartete Offenbarung. Bin ich doch im Allgemeinen eher unempfänglich für klassisches Theater und leider auch nur schwach belesen in der klassischen Literatur, so überraschte mich die Aktualität des Stücks und die darin vermittelte Philosophie ebenso wie der, wenn man von einigen biedermeierlichen Schnörkeln absieht, fast modern anmutende Sprachwitz des Herrn von Hofmannsthal.
Es gilt als „Kommunikationsstück“ – also schon damals machte man(n) sich Gedanken über die (zwischengeschlechtliche) Kommunikation bzw. die Limitiertheit der Sprache.

„Sprechen ist ein ungeheurer Kompromiss“ (Hugo von Hofmannsthal, Tagebucheintrag zu Beginn seiner Arbeit an „Der Schwierige“)

Ich kann nichts über das Wesen der Männer im 18. Jahrhundert - in dem das Stück angesiedelt ist - oder des frühen 20. Jahrhunderts (als das Stück entstand) sagen, aber der komplexe männliche Charakter der Jahrtausendwende ist mir nicht völlig unbekannt und so konnte ich doch einige Parallelen zwischen dem Protagonisten und den heutigen Herren erkennen. "Der Schwierige" ist damit mindestens so aktuell wie zu seiner Entstehung. Wie traurig, Heerschaften von Suffragetten und Frauenrechtlerinnen, der weiblichen Emanzipation und Gender Mainstream haben uns doch nicht weiter gebracht. ER darf weiter "der Schwierige" sein (während unsereins schnell als "Zicke" abgestempelt wird) und frau blickt huldvoll auf ihn - "adoriert"...

Wenn man die Biedermeier-Sprache des alt-österreichischen Hochadels entschnörkelt und das Stück in eine modernere Sprache hüllte, ginge es glatt als Edel-Drehbuch einer „Sex and the City“-esken Seifenoper durch.

Charakterisierung des „Schwierigen“ gestern und heute (am Beispiel von „Mr Big“ aus SATC)


Meine Feldstudien – „Mein Schwieriger“

Um nicht nur bei fiktiven Gestalten aus Literatur und Fernsehen zu verharren, hier noch das Ergebnis meiner – wohlgemerkt statistisch unrepräsentativen – Stichprobe, welche mittels „Hochrechnung“ folgendes – repräsentative – Bild ergibt:


Meine Hofmannsthalschen „Lieblingszitate“ aus „Der Schwierige“

„Wenn Du sagst ´im Allgemeinen´ so meinst Du was Spezielles“ (Crescence)

„Ich bin der Unkomplizierteste der Welt." (Kari Bühl)

"Männer sind doch nie so verliebt" (Crescence)

"Was ich nur an mir habe, dass alle Menschen so tentiert sind, mir eine Lektion zu erteilen, und dass ich nie ganz bestimmt weiß, ob sie nicht das Recht dazu haben" (Kari Bühl)

Auf Stanis Frage, wie das ist, wenn man plötzlich kein Junger mehr ist und ob man sich daran gewöhne: "Ja, es gibt immer noch gewisse Momente, die einen frappieren. Zum Beispiel, wenn man sich plötzlich klar wird, dass man nicht mehr glaubt, dass es Leute gibt, die einem alles erklären könnten." (Kari Bühl)

Neuhoff zu Helene über Ihre (Nicht)Beziehung zu Kari: "Verschwenderin! Sie leihen ihm alles, auch noch die Kraft, mit der er Sie hält".

"Das ist doch ein Horreur. Mit neunundreißig Jahren nicht wissen, woran man mit sich selber ist, das ist doch eine Schand." (Kari Bühl)

"Ich versteh mich selbst viel schlechter wenn ich red als wenn ich still bin." (Kari Bühl)

"Es hätte eine die Kraft haben müssen, sie zu zwingen, dass sie von ihr immer mehr und mehr begehrt hätten." (Helene) - ja das wär´wohl die hoher Kunst einer wahren Männerflüsterin! (s.u.)

"Der Schwierige" - szenische Lesung
am Theater zum Himmel im Hörbiger Haus
Foto: Frank Helmrich


Hugo von Hofmannsthal
"Der Schwierige" (1918/19) uraufgeführt 1921, erhältlich als Reclam (Nr. 18040)

dzt. am
Theater zum Himmel im Hörbiger Haus Regie/Titelrolle: Karlheinz Hackl mit Maresa Hörbiger, Konstanze Breitebner, Franziska Hackl, Fritz Hammel, Johannes Terne / Dominic Oley

oder als
DVD vom Burgtheater-Erfolg 1991 mit Karlheinz Hackl


Must-have: "Sex and the City - Kiss and tell" der Almanach zur Serie

HBO Episode Guide